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EU vs Elon Musk

EU vs Elon Musk

Es war lange ein Running Gag: Wann traut sich die EU endlich, gegen die offensichtlichen Verstöße von X im Rahmen des Digital Services Act vorzugehen?

Am Freitag – nach zwei Jahren Ermittlungen – kam endlich Bewegung in die Sache: 120 Millionen Euro Strafe.

Ist das viel oder wenig? Schwer zu sagen, denn aktuelle Umsatzzahlen von X sind nicht auffindbar. Klar ist: Es geht bislang nur um Nebenschauplätze.

Worum geht es konkret?


Irreführende Kennzeichnung:

X verkauft ein „blaues Häkchen“ als angeblich verifiziertes Konto – ohne jede Identitätsprüfung. Das täuscht Nutzer:innen und macht Betrug leichter.

Intransparente Werbung:

X legt unzureichend offen, wer hinter Anzeigen steckt. Das behindert die Aufklärung von Manipulation, Hassrede und Desinformation.

Blockade von Forschung:

X erschwert unabhängigen Forschenden den Zugang zu öffentlichen Daten. Dadurch fehlt genau die Kontrolle und Transparenz, für die Twitter früher einmal stand – bis Musks Übernahme alles drehte.

Die eigentlichen Fragen bleiben unberührt

Wie manipuliert Elon Musk die Algorithmen – aus geschäftlichem oder ideologischem Interesse?

Wie stark befeuert X systematisch Desinformation?

Dass diese Kernpunkte im ersten Bescheid fehlen, ist kein Zufall. Die EU-Kommission testet offensichtlich erst mal die Reaktion aus den USA. Alles, was sofort die „Zensur!“-Empörungsmaschine auslösen könnte, wurde vorerst ausgespart.

Dass Musk und US-Politiker trotzdem in dieses Horn stoßen, überrascht niemanden. Aber: Hier geht es im Kern nur um verletzte Transparenzpflichten.

Musk reagiert – wie immer – mit Wut

Wenig überraschend tobte Elon Musk anschließend auf seiner eigenen Plattform – und fühlte sich persönlich angegriffen. Es ist ein gutes Zeichen: Auch milliardenschwere Tech-Oligarchen müssen erkennen, dass sie nicht über dem Gesetz stehen.

Doch Musk legte nach: Er forderte die US-Regierung auf, gegen alle Personen vorzugehen, die mit dieser Strafe zu tun haben. Schon vor einem Monat war Beatrix von Storch (AfD) damit aufgefallen, dass sie der Trump-Regierung Namen jener übermitteln wollte, die Plattformregeln durchsetzen oder sich dafür einsetzen.

Das kann reale Konsequenzen haben – bis hin zu Sanktionen.

Der Internationale Strafgerichtshof musste das dieses Jahr selbst erfahren und wechselte daraufhin sehr schnell von Microsoft zu OpenDesk des Zentrums für Digitale Souveränität. Damit sie weiterhin funtionierende Infrastrukturen haben. Vielleicht ist das der passende Weckruf für die EU-Kommission.

Dann steigerte sich Musk weiter hinein: Die EU müsse zerschlagen werden, schrieb er – und bekam prompt Zuspruch aus russischen Regierungskreisen.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage:

Warum sind Bundesregierung und EU-Kommission überhaupt noch auf X?

Seit der Machtübernahme durch Musk herrscht in der politisch-medialen Bubble eine absurde Situation: Politiker:innen und Journalist:innen bleiben – und erhöhen damit die Relevanz einer Plattform, die sie zugleich für gefährlich halten.

Fragt man nach den Gründen, hört man immer dieselbe Rechtfertigung:

„Ich muss beruflich dort sein – sonst werde ich nicht gesehen / bekomme nicht alles mit.“

Dabei wäre es so einfach, andere Plattformen zu nutzen, zu zitieren, zu stärken.

Ich sage es ungern, aber deutlich:

Jeder Tweet auf X stärkt Elon Musk – und gibt ihm genau die Öffentlichkeit, die er nutzen wird, um unsere Demokratie zu beschädigen.

Bundesregierung und EU-Kommission sollten jetzt rasch runtergehen und Alternativen fördern.

Ich wünsche mir, dass weiterhin engagiert und noch konsequenter gegen Missbrauch von Macht und Ablehnung unserer Gesetze vorgegangen wird - um Wettbewerb zu sichern und unsere Demokratie zu schützen.

Elon Musk / X hat übrigens einige Wochen Zeit zu reagieren und Fehler zu beheben. Wahrscheinlich wird es aber ein Präzedenzfall: Wenn er sich weigert, muss die EU-Kommission weitere Schritte gehen. Das kann zu langjährigen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht führen, das kann als Ultima Ration am Ende eines langen Prozesses aber auch bedeuten, dass X in der EU gesperrt wird - wenn Musk seine Strafe einfach nicht bezahlen will.

Weitere Themen

In der Nachbereitung des europäischen Gipfels für digitale Souveränität waren wir ganz überrascht, eine hochrangige Palantir-Managerin auf dem Gruppenfoto mit Merz und Macron zu finden. Wir haben das beim Zentrum für Digitalrechte und Demokratie mal genauer untersucht und sind auf merkwürdige Hintergründe gestossen:

Zentrum für Digitalrechte und Demokratie
Zentrum für Digitalrechte und Demokratie

Kann Europa digitale Souveränität schaffen? Darüber habe ich im Deutschlandfunk diskutiert. Ich bin überzeugt: Das kann Europa und das müssen wir auch schaffen!

Es gibt wenige Orte im Radio, wo eine konstruktive längere Debatte zu einem Thema möglich ist. Die Sendung Streitkultur im Deutschlandfunk ist eine der seltenen Ausnahmen. 25 Minuten am Samstag Nachmittag für ein Thema. Das ermöglicht auch längere Argumentationen.

Die Debatte mit Sidonie Krug vom eco - Verband der Internetwirtschaft über Regulierung und Wege zur digitalen Souveränität hat Spaß gemacht und unterschiedliche Perspektiven auf die Themen sichtbar gemacht.Das Gespräch gibt es zum Nachhören in der Mediathek

Abhängig von US-Techkonzernen: Wie kann Europa digitale Souveränität erreichen?
Sidonie Krug vom Verband der Internetwirtschaft eco und Netzaktivist Markus Beckedahl diskutieren, wie Europa digital unabhängiger von den USA werden kann.

Anfang Oktober habe ich auf der kleinen re:publica im Rahmen des New Fall Festivals in Düsseldorf einen Vortrag über digitale Souveränität gehalten. Davon gibt es jetzt das Video online:

Meine Arbeit wird aktuell über das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie finanziert. Mit einer Spende oder Dauerauftrag kannst Du mich dabei unterstützen, mein neues Team weiter aufzubauen und mehr Wirkung zu zeigen.

Das war es mit dieser Ausgabe. Ich freue mich immer über Feedback.

Ich bleib dabei: Eine bessere digitale Welt ist immer noch möglich.

Markus